„Es gibt keinen Plan B“: Im Gespräch mit MILOŠ
Wie kaum einem anderen Gitarristen ist es MILOŠ – mit vollem Namen Miloš Karadaglić – die letzten Jahre gelungen, der klassischen Gitarre zu neuer Popularität zu verhelfen. Am Samstag, 15. Oktober, eröffnet der Shooting-Star aus Montenegro das diesjährige Festival. Wir haben uns im Vorfeld mit ihm unterhalten: Über London, wie es um die Gitarre in Deutschland steht – und was er aufstrebenden Nachwuchskünstler*innen rät.
Im Alter von nur 17 Jahren bist du von Montenegro für ein Studium an der Royal Academy of Music nach London gezogen. Was für ein Schritt. Wie schaust du heute auf diese Zeit zurück?
MILOŠ: „Als ich so jung nach London gezogen bin, hat sich das ein bisschen angefühlt, als sei ich auf dem Mars gelandet. Montenegro befand sich damals mitten im Krieg. Als ich herausgefunden habe, dass ich angenommen wurde und sogar ein Stipendium erhielt, hat sich mein Leben schlagartig verändert. Plötzlich war ich in einer Stadt, die fast 20-mal so groß war, wie mein Heimatland. Da musste ich bei Null anfangen. Das war harte Arbeit – aber gleichzeitig auch ein großer Segen, denn ich konnte alle Eindrücke um mich herum aufsaugen, wie ein Schwamm. London hat mich zu dem Musiker gemacht, der ich heute bin. Bis heute wohne ich hier, ich liebe die Stadt von ganzem Herzen und bin unendlich dankbar.“
2017 musstest du aufgrund eines Unfalls eine lange Pause einlegen – wie bleibt man da als Künstler und Musiker motiviert und fokussiert?
MILOŠ: „In dem Jahr musste ich eine komplette Saison canceln. Da brach für mich wirklich eine Welt zusammen. Ich konnte das einfach nicht begreifen. Ich habe sämtliche Spezialist*innen in Europa aufgesucht – niemand konnte mir helfen. Letztendlich habe ich die Pause aber als Chance begriffen. Wenn ich das durchstehen würde, sagte ich mir, würde ich deutlich stärker und stabiler zurückkehren. Aber ich hätte diese Phase nicht überstanden, wenn ich mir nicht zu 100% sicher gewesen wäre: Musik ist alles. Musik ist mein Leben. Es gibt keinen Plan B. Diese Energie hat mich wieder auf den Weg gebracht. Das kam also nicht von Außen, sondern von Innen. Das war wirklich eine wichtige Lektion.“
Die Förderung junger Talente liegt dir besonders am Herzen – trotzdem ist der Weg zum Profi-Musiker lang und hart. Welchen Ratschlag gibst du den Nachwuchskünstler*innen und wie ist es dir selber gelungen, niemals die Motivation zu verlieren?
MILOŠ: „Gerade wenn ich auf Tour bin treffe ich mich wirklich gerne mit Student*innen. Jedes mal begegne ich wahnsinnig talentierten Künstler*innen. Das inspiriert mich – und es beruhigt mich. Denn obwohl sich so wahnsinnig viel verändert hat, gibt es immer noch viele Musiker*innen, die ihrem Herzen und ihrer großen Passion folgen – nämlich der Gitarre. Aber ich treffe auch auf viele verunsicherte Student*innen – auch wenn das absolut nichts mit ihrem Können zu tun hat. Als ich damals nach London gekommen bin, war ich auch so ein Student – ich war absolut inspiriert von John Williams, habe mich aber nie mit ihm verglichen. Wenn ich also Student*innen treffe, kann ich mit ihnen über die technischen Aspekte ihres Spielens reden, aber in erster Linie sage ich ihnen: niemand spielt so wie du! Dein Spiel ist deine einzigartige Stimme – und sie ist gut so wie sie ist! Und ich merke, dass das etwas mit ihnen macht. Ich habe den Eindruck, dass das vielen Student*innen hilft, sich von diesem Druck etwas zu lösen. Um erfolgreich in der Musik zu sein, musst du dich von diesem Ballast befreien – und das hat eigentlich jedes junge Talent verdient. Das möchte ich den Student*innen mitgeben.“
In deinen Programmen trifft Musik von Komponisten wie Isaac Albéniz auf deine eigenen Arrangements z.B. von Leonard Cohen oder den Beatles. Damit brichst du alte Muster auf, verlässt die „Klassik-Bubble“ und erreichst ein breiteres Publikum.
MILOŠ: „Ja, aber für mich hat sich diese Mischung der Repertoires immer komplett natürlich angefühlt. Ich habe ganz bewusst mit spanischer Musik angefangen und es dann zunehmend mit Repertoire gemischt, dem ich die Liebe zur Gitarre zu verdanken habe. Und das hat dem Publikum scheinbar neue Türen geöffnet. Das war ein wichtiger Faktor für meinen Erfolg. Vielleicht liegt das auch an meiner langen Zeit in London, denn die Stadt verlangt einem viel ab – man muss immer offen für Neues sein. Dann kamen mir die Beatles in den Sinn und ich wollte mal ausprobieren, wie weit ich gehen kann. Das Spannende ist, dass ich meinen Klang eigentlich eher mit dieser Musik, als mit dem spanischen Repertoire gefunden habe. Aber manchmal habe ich es auch etwas übertrieben. Zurzeit liebe ich Bach und das gesamte Renaissance-Repertoire, aber sicherlich wäre ich künstlerisch nie so weit gekommen, hätte ich nicht auch mal links und rechts geschaut.“
Wie steht’s um die klassische Gitarre in Deutschland?
MILOŠ: „Ich glaube man kann sagen, dass in keinem Land der Welt die Gitarre so weit entwickelt ist wie in Deutschland. Ich bin immer wieder beeindruckt von dem Wissen des Publikums – die Erwartungen sind entsprechend hoch. Diese Herausforderung treibt mich immer an. Vor allem bin ich immer wieder überrascht darüber, wie wenig man sich dessen in Deutschland bewusst ist. An fast jeder Musikhochschule in Deutschland lehren hervorragende Dozent*innen. Auch die Bandbreite an Meisterkursen oder Gitarrenfestivals ist enorm. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass man lieber etwas unter sich bleibt und die Musik ist viel strikter als in England in Genres unterteilt. Das hat natürlich Vor- und Nachteile. Der Austausch auf fachlicher Ebene hier ist unglaublich. Das habe ich in Deutschland immer genossen. Gleichzeitig hoffe ich, dass die Welt der klassischen Gitarre immer mehr zum Teil der gesamten Musikwelt wird.“
Bei deinem Konzert in Bad Aibling spielst du u.a. Musik von Johann Sebastian Bach, aber auch von Isaac Albéniz. Zwei Komponisten, die nicht nur mehrere Jahrhunderte auseinanderliegen, sondern auch kulturell aus unterschiedlichen Ecken Europas stammen. Nach welchen Kriterien stellst du dein Programm zusammen?
MILOŠ: „Für mich beginnt und endet eigentlich alles irgendwie mit Bach. Er ist die Inspirationsquelle aller Komponist*innen der Welt. Für mein Konzert in Bad Aibling habe ich mir ein Programm überlegt, das ganz eng verbunden ist mit dem großartigen Gitarristen Andrés Segovia. Mir ist es wichtig, die Vergangenheit zu ehren – und gleichzeitig mit diesen Erfahrungen gemeinsam in die Zukunft zu gehen. Neue Kompositionen sind mir besonders wichtig. Es ist wirklich spannend zu sehen, wie zeitgenössischen Komponist*innen mit der klassischen Solo-Gitarre umgehen.“
Ein Name findet sich immer wieder in deinen Programmen: Mathias Duplessy. Ein französischer Komponist, mit dem du eine enge künstlerische Zusammenarbeit pflegst, und der auch bereits in Bad Aibling bei den „Saitensprüngen“ zu hören war.
MILOŠ: „Duplessy ist extrem interessant mit wahnsinnig vielen Einflüssen – Flamenco, Jazz, Gipsy oder jüdischem Klezmer. Die Art und Weise, wie er all das zusammenführt, hat mich wirklich inspiriert. Also habe ich ihn einfach angerufen und gebeten, etwas für mein Duo mit Avi Avital zu schreiben. Und das war der Anfang einer tollen Zusammenarbeit, die mir wirklich viel bedeutet.“
Vielen Dank für das Gespräch, wir freuen uns auf das Konzert!
Tickets für das Konzert mit MILOŠ sind hier in unserem Webshop oder auch direkt bei uns im Haus des Gastes, Tel. 08061 908015 erhältlich – sowie an allen MünchenTicket-VVKStellen.